An der Hochschule Koblenz vermittelt Professorin Mareike Heinzen, wie aus guten Ideen marktfähige Innovationen werden.

Eine gute Idee ist noch lange keine Innovation, sagt Mareike Heinzen, Professorin im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz. Was also braucht es, um echte Innovationen zu schaffen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Heinzen seit langem. Sie forscht zu den Themen Technologie- und Innovationsmanagement und hat 2017 den Studiengang „Management, Führung, Innovation“ am RheinAhrCampus ins Leben gerufen. Hier lernen Studierende nicht nur innovativ zu denken, sondern bekommen auch das nötige Werkzeug an die Hand, um ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Denn Rheinland-Pfalz, so Heinzen, ist ein idealer Ort, um aus einer guten Idee eine marktreife Innovation zu machen.


Frau Heinzen, was zeichnet den Studiengang „Management, Führung, Innovation“ aus und wie unterscheidet er sich vom klassischen betriebswirtschaftlichen Studium?

Antwort

Die Krisen der letzten Jahre haben aus meiner Sicht gezeigt, dass das klassische BWL-Studium nicht mehr ausreicht. Es ist wichtig, auch die Innovationsfähigkeit der Studierenden und andere Kompetenzen wie Resilienz und Flexibilität zu stärken. Damit sie lernen, mit diesen Krisen umzugehen und sie als Chance zu begreifen, aus der Ideen und Innovationen entstehen. Mit denen können sie dann wiederum eigene Unternehmen gründen und die Gesellschaft bereichern. Es geht aber nicht nur um Innovation, sondern auch um Führung: Wie kann ich als verantwortungsvolle Führungskraft Vorbild sein? Man muss andere auch für seine Ideen begeistern und zum Mitmachen motivieren können. Wir haben trotzdem noch einen sehr hohen BWL-Anteil im Studium. Denn natürlich ist es toll, neue Ideen zu entwickeln, aber diese dann zu realisieren und zu monetarisieren, um damit ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen, ist viel Arbeit und erfordert betriebswirtschaftliches Wissen. Bei uns geht es jedoch nicht nur um Entrepreneurship, sondern auch um Intrapreneurship. Das heißt, die Studierenden werden an das unternehmerische Denken herangeführt und können es dann sowohl im eigenen kleinen Unternehmen als auch im Großkonzern umsetzen.

„Neben Austausch und Diskussionen sind aber auch Ruhe und Reflexion für die Ideenfindung und Innovationsfähigkeit von großer Bedeutung“

Gibt es Erfolgsgeschichten von Studierenden, die nach ihrem Abschluss ein eigenes Startup gegründet haben?

Antwort

Es ist ja noch ein relativ junger Studiengang, aber wir haben schon einige Beispiele für solche Gründungen oder Initiativen: Im Bachelorprogramm hat ein Student die Markenagentur webkonditorei aufgebaut, die sehr erfolgreich verschiedene Unternehmen unterstützt. Eine andere Studentin ist im Ahrtal sehr aktiv. Sie hat vor kurzem den Constructive Hero Award und die Verdienstmedaille des Landes Rheinland-Pfalz erhalten, weil sie sich nach der Flutkatastrophe engagiert und alle Spielplätze hier in der Umgebung wieder aufgebaut hat. Ein weiteres Beispiel ist Toshi, eine App zur Vermeidung von Altersarmut. Sie ermöglicht es, einen Prozentsatz des bargeldlosen Einkaufs in nachhaltige Fonds zu investieren. Diese App ist in unserem Masterprogramm entstanden. Dort bieten wir das sogenannte New Venture Technology Project an, in dem Studierende eine Startup-Gründung mit einer technologischen Idee simulieren. Bisher hatten wir mehr als 50 Ideen – vom beheizbaren Fahrradsattel bis zur Erste-Hilfe-App. Das Projekt bereitet die Studierenden auch auf einen Pitch vor Investoren vor, den wir organisieren.

Mehrere Personen sprechen miteinander

Was sind aus Ihrer Sicht die Voraussetzungen für Innovationen und wie werden diese im Studiengang vermittelt?

Antwort

Es ist schwierig geworden, wirklich neue Ideen zu entwickeln. Deshalb ist Austausch unentbehrlich, damit wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln können. Für meine Studierenden ist mir wichtig, dass sie das Paradoxon der Innovation kennenlernen. Das heißt, es geht nicht nur um Kreativität, sondern auch um Effizienz. Natürlich braucht es Freiheit und Zeit, um kreativ zu sein. Aber auf der anderen Seite muss das Ganze auch irgendwann zu Ende gebracht werden – also von der Exploration zur Exploitation, von den Kreativitätstechniken bis zum Businessplan. Dann braucht man auch viele spannende Menschen, die einen inspirieren. Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen daher die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland motiviert sind, hierher zu kommen. Neben Austausch und Diskussionen sind aber auch Ruhe und Reflexion für die Ideenfindung und Innovationsfähigkeit von großer Bedeutung. Und dafür bietet Rheinland-Pfalz beste Voraussetzungen. In Zürich, Köln oder Berlin finden Austausch und Vernetzung im Sekundentakt statt. Wir können dorthin fahren, uns Impulse holen und dann wieder ins beschauliche Rheinland-Pfalz zurückkehren, um die Idee in Ruhe weiterzuentwickeln. Deshalb glaube ich, dass bei uns auch durchdachtere Innovationen entstehen, als das vielleicht in den hektischen Großstädten der Fall ist.

„Es geht nicht nur um Kreativität, sondern auch um Effizienz“

Gibt es weitere Faktoren, die Rheinland-Pfalz zu einem idealen Standort für Innovationen machen?

Antwort

Wir sind ein kleines Bundesland. Und je kleiner ein Bundesland ist, desto besser ist der Kontakt zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Die Wege sind kürzer, man kennt sich. Wir haben viele Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, welche die Basis für innovative Entwicklungen schaffen. Und eine sehr große wirtschaftliche Vielfalt sowie ein sehr großes regionales Innovationspotenzial. Allein hier im Kreis Ahrweiler haben wir mehrere Hidden Champions, also Unternehmen, die Marktführer in ihrem Bereich sind. Durch unsere zentrale Lage in Europa, aber auch in Deutschland, haben wir zudem gute Kontakte zu wirtschaftlich bedeutenden Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet. Wichtig ist natürlich auch die hohe Lebensqualität: Kultur, attraktive Städte, landschaftliche Vielfalt, Weinanbaugebiete – viele sagen: Ihr arbeitet da, wo andere Urlaub machen.

„Wichtig ist natürlich auch die hohe Lebensqualität […]. Viele sagen: Ihr arbeitet da, wo andere Urlaub machen.“

Haben Sie einen Geheimtipp, um auch im Alltag innovativ zu sein?

Antwort

Mir hat es geholfen, immer die Herausforderung zu suchen. Ich war selbst Leistungssportlerin und während meines Studiums viel im Ausland. Da musste ich immer in vielen verschiedenen Sprachen fragen, ob ich mittrainieren darf. Das hat meinen Horizont unheimlich erweitert. Wenn es Ihnen also zum Beispiel schwerfällt, technische Zusammenhänge zu verstehen, dann belegen Sie entsprechende Kurse oder trauen Sie sich sogar ein MINT-Studium zu. Wenn es Ihnen schwerfällt, vor großem Publikum zu sprechen, bieten Sie sich als Keynote Speaker an. Das hilft, diese neuronalen Verknüpfungen im Gehirn zu verändern. Auch wenn ich meine Kinder beobachte und ihre Unbekümmertheit, die uns Erwachsenen etwas abhandengekommen ist, regt mich das dazu an, neu zu denken. Es gibt eine Kreativitätstechnik, die ich häufiger anwende, wenn ich ein Problem sehe: die Kopfstandmethode. Wenn ich zum Beispiel im Stau stehe, überlege ich nicht, wie ich den Stau verkürzen kann, sondern stelle die Frage einfach auf den Kopf: Wie kann ich den Stau verlängern? Zum Beispiel, indem ich das Navi umprogrammiere oder mich quer auf die Autobahn stelle. Man hat viel mehr Spaß an der Ideengenerierung und erzielt beim Umdrehen der Antworten erstaunliche Lösungen.


Prof. Dr. Mareike Heinzen

Stammt gebürtig aus Andernach am Mittelrhein und ist in Bad Neuenahr-Ahrweiler aufgewachsen. Nach mehreren Stationen im Ausland, unter anderem in der Schweiz, Italien, den Niederlanden, Thailand und in den USA, kehrte sie 2014 in ihre Heimat zurück, um am RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz junge Innovatorinnen und Innovatoren zu fördern.

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